„Ich hab’ recht schnell gemerkt, bei Melee geht es nicht ums Gewinnen.“

Ein Gespräch mit Smash Hannovers Ove Folger, auch bekannt als „Hektor“

Bild: TGM FV Gonsenheim

Ein durchaus überraschendes Zitat angesichts der modernen E-Sport- und Fighting-Game-Kultur. Schließlich werden in sozialen Medien die erfolgreichsten Spieler:innen immer am meisten zelebriert. Die Gewinner stehen in der sozialen Hierarchie der kompetitiven Videospiele-Welt immer an der Spitze. Gewinnen ist also alles, oder etwa nicht?

Auch steht das Zitat im Kontrast zu dem Bild, welches wohl viele Außenstehende von der Super Smash Bros. Offline-Szene haben: Gruppen von schwitzenden Männern, die sich – Energydrink in der Hand– verbissen seit Jahren oder Jahrzehnten versuchen gegenseitig zu übertrumpfen. An solch einem Ort ist kein Platz für Neulinge oder schlechte Spieler:innen. Wer würde mit denen schon spielen wollen? Und warum sollte man auch auf ein Turnier gehen, bei dem man absolut keine Chance hat zu gewinnen?

Ove „Hektor“ Folger hat dazu im folgenden Interview einiges zu sagen.

Kweet: Wie lange spielst du schon Smash bei uns?

Hektor: Zwei Jahre. Letzten Dienstag war mein Jubiläum.

Kweet: Und davor? Hattest du vorher schon Erfahrungen mit Smash, z.B. online?

Hektor: Als Kind habe ich Melee mit Items gespielt. Aber halt… da war ich 10 Jahre alt oder so. Ich habe auch immer versucht, die Event Matches zu schaffen, die ja ultra schwer waren.

Kweet: Und danach hattest du… über 10 Jahre Pause?

Hektor: Ja, ich hatte nie eine Konsole nach der Gamecube.

Kweet: Wie kam es dann, dass du nach über 10 Jahren überhaupt auf die Idee kamst, zum Smash Weekly zu gehen?

Hektor: Das war gegen Ende der Corona-Zeit, und ich war neu in der Stadt. Ich habe dann bei Google Maps geschaut, was es in der Nähe gibt, und habe den Spieleverein gefunden. Da war ich dann einmal am Donnerstag bei den Brettspielen dabei. Und dort stand auf einem Schild: Dienstags werden Retrospiele gespielt, auch Melee. Und dann dachte ich: Es gibt Leute, die noch Melee spielen? Ich kenne Melee. Bin also hingegangen, und Paul hat mich dann direkt zerfetzt.

Kweet: Und wie war es für dich am Anfang, zum Weekly zu kommen? Hast du dich direkt zuhause gefühlt?

Hektor: Teils, teils. Bei meinem zweiten Weekly war ein sehr komischer Typ da, der dann aber auch direkt vom Weekly ausgeschlossen wurde. Das war schon ein wenig abschreckend. Die anderen waren aber sehr sympathisch und haben mir direkt alles über die Melee-Offline-Szene hier in Deutschland erzählt und wie familiär das alles ist. Also, abgesehen von dem einen komischen Typen, fühlte ich mich schon sehr zuhause. Jeder hat mich halt total auseinander genommen. Aber alle meinten, das ist normal, und mich störte das auch nicht. Und was mich gewundert hat: Niemand war wirklich arrogant. Alle wussten zwar, wie gut sie sind, aber waren trotzdem eigentlich so… ganz freundlich eigentlich. Man konnte immer nach Tipps fragen.

Kweet: Warum bist du dann bei Melee geblieben? Einer der größten Fehler von Melee als Sport ist ja, dass die meisten Leute aufhören, es zu spielen, bevor sie gut genug sind, um Spaß zu haben. Es ist für viele sehr anstrengend, mindestens ein halbes Jahr lang wirklich nur zu verlieren.

Hektor: Also, ich wusste von Anfang an – das hat mir Volkan schnell beigebracht –, es geht eher um den Weg. Ich habe recht schnell gemerkt, bei Melee geht es nicht ums Gewinnen. Es gibt immer jemanden, der besser ist. Es geht eher um den Grind. Ein Jahr lang war ich auch sehr planlos: habe kaum alleine geübt und nur online gespielt, und das war auch okay. Irgendwann habe ich aber gemerkt, wie gut es sich anfühlt, wenn man so bestimmte Sachen dann plötzlich kann. Melee ist so unendlich tief, und das liebe ich halt einfach.

Kweet: Es geht also eher um die kleinen Siege über sich selbst? Zum Beispiel das erste Mal etwas Neues richtig anwenden.

Hektor: Ja, und es ist auch so eine Art Meditation, mal eine Stunde lang alleine zu üben. Und es zahlt sich im Nachhinein immer irgendwann aus.

Kweet: Und das bringt uns auch direkt zur nächsten Frage. Du hast vor Kurzem das erste Mal in zwei Jahren gegen Marc gewonnen, der dir bisher immer überlegen war. Wie war das für dich?

Hektor: Also, zuerst hat mich Paul total dolle geknuddelt, weil er sich so für mich gefreut hat. Ich fühlte mich unglaublich erleichtert, weil ich so dachte, das war immer mein Ziel. Es hat sich sehr rewarding angefühlt, weil ich dachte… ich bin zwar besser geworden, jeder hat mir das immer gesagt, aber es gab nie auf dem Papier den Beweis dafür, weil ich auf dem Weekly halt immer noch gegen alle Stammgäste immer verloren habe. Ich wäre an dem Tag fast Dritter auf dem Weekly geworden.

Kweet: Glaubst du, Melee und die lokale Community haben dein Leben insgesamt verbessert?

Hektor: Ja, definitiv. Als ich neu in Hannover war, kannte ich hier kaum jemanden und dachte dann boah, alles kacke, ich will wieder nach Hause zu meinen alten Freunden und meiner Familie. Aber jetzt denke ich halt daran, wie viele Leute ich hier kenne, wie viele Sachen ich erlebt habe. Ich habe in meiner Wohnung von besonderen Events Erinnerungen, Fotos, Karten und so. Es ist sehr viel durch Melee schon passiert in meinem Leben. Letzten Monat war ich auf drei Turnieren, was halt nur dank Melee möglich war. Und ich habe auch bei jedem Turnier etwas anderes gemacht. Also definitiv, war ein Game Changer. Zwei meiner anderen Hobbys, Klavierspielen und Bouldern, habe ich auch nur durch Leute aus der Melee-Szene gefunden.

Kweet: Letzte Frage: Was ist Smash für dich?

Hektor: Boah, schwer. Es kann eine Lebenseinstellung sein. Also im Sinne… Viel Selbstdisziplin, wenn man verliert, ist es immer klar die eigene Schuld, deswegen muss man sich immer viel mit sich selbst auseinandersetzen. Auf der anderen Seite gibt es auch die Community. Am Ende ist es nicht so wichtig, ob man gewinnt oder verliert. Es gibt lustige Momente, es gibt Hype-Momente. Zum Beispiel bei einem knappen Spiel zwischen zwei Rivalen feiern sich alle und schreien rum wie beim Fußball…

Kweet: Haha ja, es ist dann auch oft egal, wie gut die Rivalen sind.

Hektor: Ich muss immer noch an Mainz denken, wo der eine Captain Falcon auf der Bühne gespielt hat, der kein Crouch-Cancel gemacht hat, kein Stomp, kein Knee. Alle haben rumgeschrien. Das war Bolzen einfach nur. Captain Falcon ohne L-cancel ist schon… geil. Eigentlich ist das ein bisschen wie beim Fußball, es gibt die Bundesliga, aber es gibt auch Bolzen mit den Freunden und das Bier trinken danach.

NicknameHektor
Alter25
BerufSoftwareentwickler
CharacterSheik
Liebste AttackeSheik Up-Smash
Verhasste AttackeMarth F-Smash
Beschreibt seinen Spielstiloft unbeholfen, manchmal erstaunlich überraschend gut und mit Shieldgrabs unglaublich eklig
Spielt Smash seit2 Jahren
Wöchentliche Smash Zeit4-5 Stunden (ohne Weekly)
Weekly Besuchsrate 202378%